Was ist AIKIDO?

Aikido ist eine in Japan entwickelte Kampfkunst, deren Wurzeln bis ins 9. Jahrhundert n.Chr. zurückreichen. Daher basieren die heute angewandten und ausschließlich auf die Verteidigung gegen unbewaffnete und bewaffnete Angreifer ausgerichteten Techniken des Aikido auf den Kampfformen der Schwerttechniken, welche bei den japanischen Samurai (Ritter) - zumeist unter anderen Bezeichnungen - ihre Blütezeit fanden.

Morihei Ueshiba, der Begründer des Aikido, fügte seiner von ihm weiterentwickelten Kampfkunst wichtige technische Prinzipien aber auch geistige Elemente hinzu. Somit ist Aikido eine sich von anderen Verteidigungs- und Kampfdisziplinen sowie Kampf-sportarten elementar unterschei-dende Budo-Disziplin. 


Das Aikido-Training soll neben dem Erlernen der Verteidigungstechniken dazu beitragen, dass sich der Aikidoka (Aikido-Treibende) gemäß der ethisch-moralischen Grundhaltung des Aikido geistig-seelisch positiv entwickelt.

So wird dem Aikidoka gelehrt, dass er sich rein defensiv verhalten soll und seine Verteidigungstechniken nur gegen den Angriff und nicht gegen den Angreifer gerichtet sind. Ein Zerstören eines bereits unterlegenden und kontrollierten Angreifers ist dem ernsthaften Aikidoka fremd. Der Angreifer soll nur von der Nutzlosigkeit seines Angriffs überzeugt werden. Kaum eine andere Form der Selbstverteidigung hält so strikt am Gedanken der reinen Selbstverteidigung fest wie Aikido. 

Beim Betrachten der Aikido-Techniken erscheinen dem Außenstehenden die für das Aikido so typischen Kreis- und Spiralbewegungen sowie Verteidigungstechniken weich und leicht ausführbar. Da für ihn zunächst die Bewegungsabläufe nicht bekannt sind und somit die „belehrende Strenge“ der Techniken nicht gespürt werden kann, erinnert Aikido oft an eine Form des Tanzens.

Tatsache aber ist, dass ein Angreifer in einer realen Verteidigungssituation von dem für das Aikido so typischen "weichen" Umlenken seiner Angriffskraft überrascht wird; ebenso von den sich deutlich von der Norm abweichenden und somit unbekannten Verteidigungstechniken. Wegen der fehlenden Fallschule setzt sich der Angreifer außerdem einer erheblichen Verletzungsgefahr aus. 

Da nach den ethisch-moralischen Wertvorstellungen des Aikido nie ein Angriff von einem Aikidoka ausgehen soll, wird Aikido auch als eine "aggressionslose Selbstverteidigungsform" bezeichnet. 

In Gegensatz zu anderen Budo-Disziplinen hat sich Aikido nicht zu einer Kampfsportart entwickelt, in der Wettkämpfe durchgeführt werden. Das Erlernen der Verteidigungstechniken des Aikido findet im partnerschaftlichen Wechsel- und Rollenspiel bei gegenseitiger Unterstützung und Rücksichtnahme statt.

Durch das beim Training praktizierte disziplinierte Verhal-ten wird die Unfallgefahr für Aikidoka so gut wie ausge-schlossen. Aufgrund der fehlenden Wettkämpfe findet ein sogenanntes "Konkurrenzdenken" unter den Aikidoka nicht statt. Gerade dieser wegfallende Leistungsdruck schafft die für das Aikido so typische harmonische sowie freundschaftliche Trainings-atmosphäre und stellt einen neuen Weg der förderlichen Entspannung für Geist und Körper dar. Die vielseitigen Bewegungs-formen des Aikido garantieren ein hervorragendes Organ- und Kreislauftraining, insbesondere zur Stärkung und Lockerung der Rückenmuskulatur.

Interessanterweise wird Aikido in der Zwischenzeit auch von Therapeuten und Krankenkassen empfohlen. 
Im Aikido ist das Trainieren von auf das Zerstören des Angreifers ausgerichteten Tritten und Schlägen nicht vorgesehen, da diese nicht der Grundhaltung dieser Disziplin entspricht. Vielmehr soll der Angreifer mit Festhaltetechniken (Katamae-Waza) oder Würfen (Nage-Waza) kontrolliert werden. Zumeist konzentrieren sich die Festhaltetechniken auf die Handgelenke oder Ellenbogen des Angreifers. Bei den Würfen ist für den Außenstehenden besonders deutlich das Prinzip der Verteidigung zu erkennen. Dieses Prinzip beruht darauf, die Energie und den Schwung des Angreifers aufzunehmen, in Kreisbewegungen umzulenken und verstärkt gegen den Angreifer einzusetzen. 

Von großer Bedeutung ist im Aikido ebenfalls das Entdecken und bewußte Nutzen der in jedem Menschen vorhandenen aber meist ruhenden Körper- und Willenskraft, welche in den japanischen Budo-Disziplinen unter dem Begriff KI bekannt ist und erst nach ausdauerndem sowie absichtslosem Üben zu spüren ist. Allein mit diesen KI und nicht mit Muskelkraft sollen im Aikido die Techniken angewandt werden. Die Nutzung dieses KI ermöglicht selbst körperlich schwächeren Personen scheinbar stärkere, auf ihre Muskelkraft vertrauende Angreifer zu kontrollieren. Daher ist Aikido auch für Frauen sehr geeignet. 

Wie in dem kurzen Abriss für die Leserinnen und Leser ersichtlich wird, ist Aikido zunächst eine Form der Selbstverteidigung, bei der ein ernsthaft durchgeführtes und langjähriges Training auch positiven Einfluss auf die geistige Entwicklung des Aikidoka nimmt. Obwohl ursprünglich in allen traditionellen Budo-Disziplinen auch die positive geistige Entwicklung und die Vermittlung von Werten einen hohen Stellenwert einnahm, gehört Aikido zu den wenigen Kampfkünsten, die diesem Ziel noch ausreichende Beachtung schenken. 

So soll mit dem Training erreicht werden, dass die geistig-seelischen und körperlichen Kräfte des Aikidoka im harmonischen Einklang stehen. Bekanntlich ist „dumm und stark“ ebenso wenig erstrebenswert wie „schlau und schwach". Erst wer in seinem Inneren in Einklang steht, hat die Grundlage geschaffen, um zu seinen Mitmenschen und seiner Umwelt ein harmonisches Verhältnis aufbauen.

So bietet die Kampfkunst Aikido allen suchenden und anspruchsvollen Menschen tiefgründige philosophische sowie erbauliche meditative Inhalte. Sie ist auch ein Weg zur Selbstfindung und Bewusst-seinserweiterung, der neue Kräfte zur positiven Lebensgestaltung entwickelt und die effektive Bewältigung der vielfältigen Aufgaben des Lebens ermöglicht. 

Wolfgang Schwatke
- 6. Dan Aikido -